"Dafür habe ich sowieso die falsche Partei gewählt!"

In einem Aarauer Café erzähl­ten die bei­den Aar­gauer *jevp-Grossräte Chris­tian Min­der und Uriel Sei­bert von ihrem poli­ti­schen All­tag, ihrem Lieb­lings­ort im Kan­ton Aar­gau und dis­ku­tier­ten, wie sie ihren Wunsch­bun­des­rat zusam­men­stel­len wür­den. Reto Stal­der fühlte ihnen im Inter­view auf den Zahn.

Ihr kommt direkt aus dem Gros­sen Rat. Wie lie­fen die Geschäfte?
Chris­tian:
Heute dis­ku­tier­ten wir den Aufgaben- und Finanz­plan. Da glaub­ten viele Gross­räte, dass sie mehr zu sagen hät­ten als nor­ma­ler­weise. Ent­spre­chend zog sich die Dis­kus­sion in die Länge.

Wie sah euer bis­he­ri­ger Tag aus und was erwar­tet euch noch?
Chris­tian: Ich stand um 6.30 Uhr auf. Der Tag begann mit einem Mor­gen­es­sen und der Über­prü­fung, ob noch rele­vant Doku­mente für den heu­ti­gen Gross­rats­tag mit der Post ange­kom­men sind. Um 7.45 Uhr begann die Frak­ti­ons­sit­zung und ab 10.00 Uhr tagte der Grosse Rat. Über den Mit­tag lud die Lan­des­kir­che im Rats­kel­ler zu einem fei­nen Mit­tag­es­sen ein, um gleich­zei­tig über ihre Bemü­hun­gen im Asyl­be­reich zu infor­mie­ren. Am Nach­mit­tag sas­sen wir von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr wie­derum im Rat. Danach kamen wir direkt ins Café, wo wir jetzt das Inter­view machen. Die Wäsche wird heute Abend noch auf dem Pro­gramm ste­hen, wie auch orga­ni­sa­to­ri­sche Fra­gen rund um die Nach­folge des EVP-Bezirkspräsidenten.
Uriel: Mein Tag begann um 5.45 Uhr. Nach eini­gen Vor­be­rei­tun­gen ging ich um 6.30 Uhr auf den Bus und Zug, wo ich die Zeit zum Bibel­le­sen und Gebet nutzte. In Aarau ange­kom­men ging ich kurz in die Kir­che, um ein Lied zu spie­len und mun­ter zu wer­den. Danach kaufte ich in der Bäcke­rei eine Stär­kung für die kom­mende Gross­rats­sit­zung. Den rest­li­chen Tag hin­durch hatte ich das­selbe Pro­gramm wie Chris­tian. Am Abend werde ich E-Mails beant­wor­ten und mich sicher­lich auch bei mei­ner Freun­din mel­den.

Hät­tet ihr mit fünf­zehn Jah­ren schon gedacht, dass ihr der­einst so stark in der Poli­tik enga­giert sein wer­det? Oder was waren eure Träume?
Chris­tian:
Ich hatte in die­ser Zeit kaum Ziele für mein Leben. Sicher­lich aber dachte ich auch nicht daran, der­einst in der Poli­tik zu lan­den.
Uriel: Ich hatte auch nie den Traum, in die Poli­tik ein­zu­stei­gen. Und das, obwohl ich mich bereits als Jugend­li­cher oft poli­tisch geäus­sert habe; und dies nicht nur auf EVP Linie (lacht). Meine Kol­le­gen sag­ten damals, ich würde mal Bun­des­rat wer­den. Daran habe ich selbst hin­ge­gen nie gedacht. Und nun habe ich dafür sowieso die fal­sche Par­tei gewählt.
Chris­tian(fällt ihm lachend ins Wort): Du hast noch ein lan­ges Leben! Viel­leicht schaf­fen wir das mal noch!
Uriel: Meine Träume gin­gen damals eher in die Rich­tung Musi­ker oder Füh­rungs­po­si­tion in der Wirt­schaft.

Wie kam es dazu, dass ihr heute Gross­räte seid?
Uriel:
Ich hatte vor mei­nem Nach­rut­schen in den Gros­sen Rat (Dezem­ber 2015, Anm. d. Red.) erst ein­mal für den Natio­nal­rat kan­di­diert, aber nie für den Gros­sen Rat. Auch war ich sonst poli­tisch nicht aktiv. Doch dann gab es eine uner­war­tete Anfrage von Sei­ten der EVP, dass sie auf der Suche seien nach einem Gross­rat in mei­nem Bezirk. Da nie­mand von der letz­ten Wahl­liste das über­ra­schen­der­weise frei gewor­dene Amt über­neh­men wollte oder konnte, wurde ich gefragt, ob ich mir dies vor­stel­len könnte. Nach eini­ger Bedenk­zeit, Gebe­ten und Abspra­chen mit der Fami­lie und der Freun­din habe ich dann zuge­sagt. Ich hatte gros­ses Glück, dass ich in den Gros­sen Rat nach­rut­schen durfte ohne jemals dafür kan­di­diert zu haben. Und jetzt habe ich ja bereits die Wie­der­wahl geschafft.
Chris­tian: Ich habe im ver­gan­ge­nen Herbst bereits zum vier­ten Mal für den Gros­sen Rat kan­di­diert. Das erste Mal war ich noch nir­gends in der *jevp oder EVP aktiv und kan­di­dierte ohne Aus­sich­ten und Absich­ten. Danach rutschte ich durch par­tei­in­terne Auf­ga­ben immer mehr in die Poli­tik rein. Ich kan­di­dierte auch bei natio­na­len Wah­len und bei Wah­len auf der Gemein­de­ebene. Nach der drit­ten Gross­rats­kan­di­da­tur durfte ich wäh­rend der Legis­la­tur nach­rut­schen (Januar 2016, Anm. d. Red.) und nun bin ich auch wie­der­ge­wählt wor­den.

Habt ihr in eurer kur­zen Zeit als Gross­räte bereits etwas errei­chen kön­nen?
Chris­tian:
Ich habe einen Prü­fungs­an­trag gestellt, der ange­nom­men wurde und inzwi­schen umge­setzt ist. Somit habe ich eine Erfolgs­quote von 100% (lacht). Aber grund­sätz­lich habe ich die bis­he­rige Zeit eher dafür genutzt, mich gut in den Rats­be­trieb ein­zu­ar­bei­ten. Auch der Gross­rats­wahl­kampf bean­spruchte mich im letz­ten Jahr stark.
Uriel: Ich habe ein Pos­tu­lat für mehr Gerech­tig­keit bei der Ver­tei­lung der vor­läu­fig auf­ge­nom­me­nen Asyl­su­chen­den ein­ge­reicht, das auch über­wie­sen und umge­setzt wurde. Manch­mal erreicht man auch kleine Dinge. So habe ich zum Bei­spiel durch eine E-Mail die Ände­rung einer Frage im Ein­bür­ge­rungs­test ver­an­lasst. Als Gross­rat wird man auch in weni­ger bri­san­ten Ange­le­gen­hei­ten ernst genom­men und hat einen gewis­sen Ein­fluss.

Was ist euer nächs­tes grös­se­res poli­ti­sches Vor­ha­ben?
Uriel:
Ich beschäf­tige mich mit dem Thema der schu­li­schen Inte­gra­tion (Anm. d. Red.: meint das Ein­bin­den von Men­schen mit Behin­de­run­gen in den Schul­un­ter­richt von Nicht­be­hin­der­ten). Dabei steht zukünf­tig der Dia­log mit dem Regie­rungs­rat im Vor­der­grund, womög­lich spä­ter auch Vor­stösse im Par­la­ment.
Chris­tian: Ich will mich dafür ein­set­zen, dass von Lenz­burg aus in die umlie­gen­den Ort­schaf­ten bes­sere Velo­fahr­wege geschaf­fen wer­den. In die The­ma­tik des Velover­kehrs möchte ich mich all­ge­mein tie­fer ein­ar­bei­ten und dann mög­li­cher­weise auch mit Vor­stös­sen aktiv wer­den. All­ge­mein in der EVP ist zudem die beruf­li­che Inte­gra­tion von Asyl­su­chen­den ein gros­ses Thema. Dies ist mir wich­tig und will ich im Gross­rat ent­spre­chend beglei­ten.

Warum poli­ti­siert ihr für die EVP (respek­tive *jevp) und nicht für eine andere Par­tei?
Chris­tian:
Meine Eltern wähl­ten bereits EVP. Ich habe gemerkt, dass die EVP mit ihren Wer­ten mei­ner poli­ti­schen Linie ent­spricht. Darum habe ich nie eine andere Par­tei in Betracht gezo­gen.
Uriel: Bevor ich poli­tisch aktiv war, wählte ich zur Hälfte EVP und zur ande­ren Hälfte EDU. Ich wollte damit pri­mär christ­li­che Par­teien unter­stüt­zen. Andere Par­teien kamen für mich damit nie ernst­haft in Frage. Schluss­end­lich für die EVP ent­schie­den habe ich mich vor allem wegen ihrem poli­ti­schen Stil. Die EVP denkt sehr dif­fe­ren­ziert. Sie hat eine hohe Akzep­tanz und einen guten Ruf, auch weit über die Par­tei­gren­zen hin­aus.

Wenn ihr zwei im Bun­des­rat sit­zen wür­det und euch fünf Kame­ra­din­nen oder Kame­ra­den frei zur Wahl stün­den, wen wür­det ihr mit ins Gre­mium neh­men?
Chris­tian:
Viel­leicht Trump?
(Beide lachen herz­haft und rufen «Nein, Nein».)

Chris­tian: Wal­ter Donzé wäre sicher­lich geeig­net. Er ist poli­tisch fun­diert. Auch Marc Jost wäre gut. Uriel: Ich kenne Marc zu wenig gut. Mir scheint Doris Leuthard sehr dos­sier­si­cher. Chris­tian: Dafür meint sie, dass Last­wa­gen mit Auto­bahn­vi­gnet­ten umher­fah­ren wür­den…
Uriel: Das ist egal, wenn wir sechs andere Typen haben, die in die­sem Punkt ver­nünf­tig den­ken. Urs Hof­mann (Aar­gauer Regie­rungs­rat, Anm. d. Red.) würde ich übri­gens auch gerne nomi­nie­ren.
Chris­tian: Ein­ver­stan­den! Er ist enga­giert, klug und hat eine gute Fach­kom­pe­tenz. Mein Favo­rit wäre jedoch Ste­fan Atti­ger (auch Aar­gauer Regie­rungs­rat, Anm. d. Red.). Er hat eine gute Art, Mei­nun­gen aus der Bevöl­ke­rung auf­zu­neh­men und ist prag­ma­tisch.
Uriel: Somit hät­ten wir je eine Per­son aus der FDP, der SP und der CVP sowie zwei Per­so­nen aus der EVP. Kein schlech­ter Mix! Die SVP haben wir aber aus­ge­las­sen. Das ist nicht klug. Gibt es einen guten SVP-ler? (län­gere Stille) Oder könn­ten wir jeman­den von der EDU neh­men anstatt einer SVP Ver­tre­tung?
Chris­tian: Mar­tin Lerch! Eine Füh­rungs­fi­gur.
Uriel: Er ist unab­hän­gig und dif­fe­ren­ziert den­kend und kein Pole­mi­ker. Ein stil­ler Schaf­fer. Eine gute Wahl!
Chris­tian: Nun haben wir aber jeman­den zu viel. Somit müs­sen wir halt ein neues Depar­te­ment schaf­fen. Oder es müsste doch noch ein EVP-ler über die Klippe sprin­gen. Oder: Wir brau­chen nicht noch einen Bun­des­kanz­ler?!
Uriel: Marc Jost! Nun haben wir unse­ren Wunsch-Bundesrat inklu­sive Bun­des­kanz­ler kom­plett.

Ich gra­tu­liere! Aber ist euch bewusst, wie män­ner­las­tig eure Aus­wahl ist?
Uriel:
Genau das habe ich mir jetzt auch gerade über­legt. Da müs­sen wir noch­mals über die Bücher...

Das müs­sen wir aus Zeit­grün­den lei­der ver­schie­ben. Lie­ber würde ich noch von euch hören, was ihr in eurer Frei­zeit macht, aus­ser­halb der Poli­tik?

Chris­tian: Gibt es noch Ande­res als die Poli­tik? (beide lachen) Wind­sur­fen, am liebs­ten bei kon­stan­tem Wind.
Uriel: Velo­fah­ren, wan­dern, kochen und essen. Oder Musik machen. Ein­fa­che Lek­tü­ren lese ich auch sehr gerne, z.B. Romane oder Comics.

Was ist euer Lieb­lings­ort im Aar­gau?
Chris­tian:
Der Wald bei Lenz­burg in Rich­tung Eglis­wil gefällt mir super. Oder die vie­len Aar­gauer Schlös­ser.
Uriel: Wenn ich ganz ehr­lich bin: Mein Bett! Da gehe ich immer wie­der gerne hin!

Herz­li­chen Dank für euer Mit­ma­chen beim Inter­view und euer gros­ses Enga­ge­ment zu Guns­ten der *jevp/EVP!


Wer die bei­den Gross­räte per­sön­lich tref­fen möchte, hat beim nächs­ten Aar­gauer *jevp-Stammtisch die Chance dazu. Die­ser fin­det am Di., 25. April um 18:30 Uhr in der Spa­ghetti Fac­tory Aarau statt.



ÜberUriel Sei­bert

Jahr­gang: 1991
Wohn­ort: Schloss­rued
Gross­rat seit 01.12.2015
Kom­mis­sion: Auf­ga­ben­pla­nung und Finan­zen, Ein­bür­ge­rungs­kom­mis­sion (Stv.)
Beruf: Lehr­per­son Sek 1
Ämter: Vor­stands­mit­glied Church Lea­gue Schweiz
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Über Chris­tian Min­der

Jahr­gang: 1983
Wohn­ort: Lenz­burg 
Gross­rat seit 05.01.2016
Kom­mis­sion: Geschäfts­prü­fungs­kom­mis­sion, Jus­tiz (Stv), Umwelt, Bau, Ver­kehr, Ener­gie und Raum­ord­nung (Stv.)
Beruf: Maschi­nen­bau­in­ge­nieur
Ämter: Prä­si­dent EVP Lenzburg-Seetal / Ener­gie­kom­mis­sion Lenz­burg / Betriebs­kom­mis­sion Gemein­de­bau­ten und Sport­an­la­gen
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