Janina, du engagierst dich schon seit längerer Zeit für sogenannte «Sternenkinder». Was ist der Grund dafür?
Sternenkinder haben keine Lobby, deshalb schlägt mein Herz für sie. Immer, wenn ich eine Veränderung erreiche, bedeutet es mir sehr viel. Gerade auch weil ich weiss, wie viele Menschen es in Zukunft betreffen wird: Rund jede dritte Frau wird im Laufe ihres Lebens davon betroffen sein.
Was konntest du mit deinem Engagement bereits erreichen?
Auf Bundesebene wurde die Zivilstandsverordnung geändert. Nun können fehlgeborene Kinder, die offiziell nicht als Kinder gelten, freiwillig beurkundet werden.
Als ich der EVP diese Idee schickte, war ich noch minderjährig. Egal, wie alt, ob in einem gewählten Amt oder nicht: Wenn ihr eine gute Idee habt, die mehrheitsfähig ist, könnt ihr etwas bewegen! Sucht euch einfach eine Person, die euer Anliegen einbringt und bleibt hartnäckig!
Auch in den Kantonen Bern und in Solothurn konnten wir Erfolge verbuchen: Dort wurde auf meine Initiative hin das kantonale Bestattungsrecht für fehlgeborene Kinder eingeführt. Bis jetzt hatten nur totgeborene Kinder (ab 500g / 22. Schwangerschaftswoche) dieses Recht.
Welche Rechte haben Sternenkinder und ihre Eltern heute?
Im Schweizer Recht werden vor der Geburt verstorbene Kinder in zwei Gruppen aufgeteilt: Fehlgeborene und Totgeborene. Als Totgeborenes gilt ein Kind ab 500g Gewicht und ab einem Alter von 22 vollendeten Wochen. Fehlgeborene sind Kinder, die leichter und jünger sind.
Totgeborene gelten quasi als Mensch und haben Rechte: Sie werden im offiziellen Personenstandsregister aufgenommen und besitzen in der ganzen Schweiz das Bestattungsrecht. Fehlgeborene besitzen diese beiden Rechte nicht, bzw. beim Bestattungsrecht ist es von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Fehlgeborene können freiwillig beurkundet werden, dies hat aber keine rechtliche Wirkung.
Welche Rechte müssen deiner Meinung nach noch eingefordert werden?
Fehlgeborene müssen in der ganzen Schweiz beerdigt werden können. Da dies von Ort zu Ort unterschiedlich ist, gibt es noch viel zu tun.
Zu diesen Forderungen laufen bereits Bemühungen im Parlament ohne mein Zutun:
Die ganze Schwangerschaft muss von den Krankenkassen übernommen werden. Heute ist es so, dass die Kosten nicht übernommen werden, wenn das Kind in den ersten drei Monaten stirbt.
Zum Thema Mutterschutz habe ich dieses Jahr eine Petition eingereicht: Eine Mutter hat heute Anspruch auf Mutterschaftsurlaub, wenn die Schwangerschaft mindestens volle 23 Wochen gedauert hat. Obwohl eine Schwangerschaft und der Verlust eines Kindes physisch und psychisch eine grosse Veränderung und Belastung ist, hat man vorher keinen Anspruch auf freie Tage. Wird man nicht krankgeschrieben, muss man am nächsten Tag wieder arbeiten. Mein Vorschlag ist, dass man schon zu Beginn der Schwangerschaft Anrecht auf einen Urlaub von wenigen Wochen hat, der sich mit fortschreitender Dauer der Schwangerschaft verlängert.
Parallel dazu ist auch der Vaterschaftsurlaub für verstorbene Kinder einzuführen. Was viele nicht wissen: Unser Vaterschaftsurlaub ist an ein gesundes Kind gekoppelt. Stirbt das Kind, verfällt der Urlaub sofort.
Was wünscht du dir von der Gesellschaft in Bezug auf Sternenkinder?
Ich wünsche mir, dass das Tabu um Sternenkinder gebrochen wird. Ich bin sicher, alle von uns kennen mehrere Personen, die ihre Kinder früh verloren haben, nur wissen es vielleicht nicht alle! Es muss bekannt sein, dass dies leider häufig passiert. Wenn öfters darüber gesprochen wird, fühlen sich Betroffene auch nicht so alleine. Mein Tipp: Wenn du jemanden kennst, der ein Sternenkind hat, sprich sie darauf an, auch wenn es Mut braucht! Frage sie nach ihrem Kind, denn sie sind Eltern und lieben ihr Kind. Wenn du nicht weisst, was du sagen sollst, dann sage z.B.: "Euer Verlust tut mir leid, ich weiss gar nicht, was ich sagen soll.", oder schreibe ihnen eine liebe Karte. Das Sternenkind ist bereits gestorben, und meist stirbt es gleich ein zweites Mal, da es in der Gesellschaft im wahrsten Sinn des Wortes totgeschwiegen wird. Es wäre toll, wenn wir da einen Unterschied machen könnten.
Danke für den Einblick und dein Engagement Janina!
Das Interview führte Leona Eckert.